Notizen zum Kino 2: Alles erlaubt?

Rechte-Piraterie, die Praxis der Filmverleiher und die Rechte von Journalisten – Bemerkungen zur Rechtslage
Von Fred Breinersdorfer

Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung zum Schaden durch Piraterie machen: Ob er jetzt 100.000 Euro betrifft, oder 10 Milliarden – er ist jedenfalls vorhanden. Man darf das nicht bagatellisieren. Die Filmwirtschaft hat gerade in den europäischen Ländern wieder eine künstlerische und wirtschaftliche Position gefunden. Man sollte alles tun, um hier Schäden zu vermeiden – darüber sollte es keinen Streit geben. Ich finde die öffentliche Anti-Piraterie-Kampagne nur mäßig witzig. Aber es muss auf breiter Basis in Deutschland ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass geistiges Eigentum -ein Film wie die Texte eines Journalisten – einen genauso hohen gesellschaftlichen Rang hat, wie materielles Eigentum. Kultur ist und bleibt ein schützenswertes Gut – gerade im Zeitalter leichtester Kopierbarkeit.

Bei der Frage der rechtlichen Situation von Journalisten, muss man zwei Aspekte unterscheiden: Was kann man politisch als ein Kritikerverband im weitesten Sinne machen? Und was ist rechtlich möglich? Unter „politisch im weitesten Sinne“ verstehe ich die Ausnutzung der Markt- und Machtposition der Presse. Ich habe mit großem Interesse gesehen, dass die Presse auf das Vorgehen der UIP bei der Pressevorführung von Krieg der Welten so reagiert hat, dass sie ihr kritisches Potential dafür eingesetzt hat, auf diese Missstände aufmerksam zu machen, ein Bewusstsein dafür in der Öffentlichkeit zu wecken, und sie abzuschaffen. Ich kann mir schon vorstellen, dass ein Boykott einer Pressevorführung auf breitester Ebene einmal dazu führen könnte, dass ein Verleih erhebliche Schwierigkeiten bekäme. Das wären Mittel, deren Einsatz ich auf jeden Fall erwägen würde.

Juristisch gesehen spielen unterschiedlichste Gesichtspunkte eine Rolle: Das Urhebernutzungsrecht, nach dem der Produzent einen Verleih/Vertrieb lizensiert und der Vertrieb versucht, diese Lizenz möglichst optimal zu schützen – gegen Übergriffe, unerlaubte Kopien wie auch immer. Das ist rechtlich völlig unproblematisch. Jeder darf sein Wirtschaftsgut optimal im Rahmen der Gesetze nutzen. Da gibt es keine Frage.

Die Frage ist eher eine methodische: Mit welchen Methoden darf ich diesen unbestrittenen Lizenzschutz durchführen? Da kommen wir in einen Bereich des Presserechts und des Hausrechts hinein. Was darf der Hausrechtsinhaber machen? Darf er sich aufführen wie ein autokratischer Fürst? Und den einen hineinlassen, den anderen nicht. Da sind dann auch Fragen der Pressefreiheit tangiert. Es gibt das Recht der Presse auf einen angemessenen Zugang und Möglichkeiten der Berichterstattung. Das darf man auch als Rechteinhaber nicht so einfach reglementieren.

Bei Pressevorführungen ist immer die Frage der Zugangsbeschränkung entscheidend. Unter dem Aspekt der Pressefreiheit kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Verleiher Kritiker ausschließen darf. Das wäre juristisch ein erhebliches Problem. Ich würde mich in so einem Fall als ausgeschlossener Journalist sofort um eine einstweilige Verfügung bemühen. Eine Pressevorführung ist natürlich in gewisser Weise öffentlich, das ist keine Privatveranstaltung, dort gelten andere rechtliche Maßstäbe.

Es handelt sich zudem um eine so genannte Monopolveranstaltung. Es gibt ja viele Journalisten, die kein gesichertes Auftragsfeld – etwa als Redakteur – haben, sondern um Aufträge kämpfen müssen. Für sie ist es wichtig, in eine solche Vorführung zu gehen. Der Verleiher ist demgegenüber ein Monopolist. Die Rechtsprechung hat in zig Verästelungen über Kontrahierungspflichten bei Monopolen gearbeitet. Demnach kann ein Monopolbetrieb gar nicht ohne weiteres den Zugang als solchen beschränken, und auf solche Weise die Öffentlichkeit nach seinem Belieben einschränken.

Dann gibt es noch ein weiteres Schutzrecht, das Recht am eigenen Bild, das zum Beispiel durch die neue Praxis mancher Verleiher berührt wird, im Zuschauerraum Journalisten während der Pressevorführung ununterbrochen aufzuzeichnen. Selbstverständlich habe ich das Recht, als Privatperson oder Journalist – nur bei „Personen der Zeitgeschichte“ ist dies etwas anders – in meiner Privatsphäre unbehelligt zu sein. Das gilt auch im Kino, auch bei der Pressevorführung – wenn ich in der Nase bohre, oder mit meiner Nachbarin flirte, gehört das zur schutzwürdigen Intimsphäre.

Es handelt sich ja bei einer Pressevorführung nicht um eine „allgemeine Gefahrenabwehr“, wie bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum, sondern um eine private Überwachung. Und im privaten Bereich spielen vertragsrechtliche Bedingungen eine Rolle. Auf das Recht aufs eigene Bild kann ich gar nicht beliebig verzichten. Ich kann auch hinterher eine eventuelle Einwilligung wieder zurückziehen. Die Rechtsordnung schützt gerade einen solchen Meinungswandel. Man spricht da von einer „sittenwidrige Entäußerung von Rechten“. Das ist alles sehr sensibel. Der Veranstalter wird – sagt mir mein Rechtsgefühl – damit größte Schwierigkeiten haben, mit einem Text am Eingang – sinngemäß: „wer hier reingeht, stimmt Bildaufnahmen zu“ – vor Gericht durchzukommen. Zumal: Indem ich diese Einwilligung gebe, gebe ich die Einwilligung in eine Verwertung, die mir völlig unbekannt ist. Das halte ich für sittenwidrig.

Es müsste dann der Veranstalter mindestens eine individuelle Erklärung abfordern. Ich würde aber im Fall einer Pressevorführung dann nochmal genau juristisch prüfen wollen, ob das selbst mit einer solchen Erklärung rechtens ist. Dieses Recht am eigenen Bild ist ein sehr geschliffenes Schwert; es ist nach der Rechtsprechung sehr strikt geschützt. Insgesamt ist der Persönlichkeitsrechtsschutz in solchen Fällen sehr hoch. Ich habe als Mensch auch im geschäftlichen Umgang mit anderen, also als berichterstattender Journalist, einen Anspruch auf einen – jetzt benutze ich nicht das Wort menschenwürdigen – aber doch angemessenen Umgang mit mir als menschlichem Wesen, als Teilnehmer an einer derartigen Veranstaltung. Das Bundesverfassungsgericht betont immer wieder: Kein Mensch darf zum Objekt degradiert werden, er muss immer auch Subjekt und Partner sein.

Das Interesse des Veranstalters ist natürlich als solches schützenswert, jegliche Form von illegaler Kopie zu verhindern. Da würde es dann – wahrscheinlich in einem Musterprozess – eine Rolle spielen, ob denn überhaupt hier ein Anfangsverdacht gegen Journalisten gegeben ist. Hat je ein Journalist in Deutschland eine Kopie gemacht? Es muss so etwas wie eine begründete Befürchtung bestehen, bevor man zu solchen, die individuelle Freiheit doch stark tangierenden Mitteln greifen darf. Das betrifft das Recht am eigenen Bild, die Auswertung von Daten und den Zugang zu der Veranstaltung.

Fred Breinersdorfer
© VdFk 2006

Fred Breinersdorfer ist Anwalt und als solcher spezialisiert auf Urheberrecht. Hauptberuflich arbeitet er seit vielen Jahren als Drehbuchautor, und hat die Bücher für ca. 60 Filme im 90-Minuten-Format geschrieben und zuletzt auch produziert. Sein bekanntester Film ist Sophie Scholl – Die letzten Tage (D 2005, Regie: Marc Rothemund). Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge seiner Ausführungen zu den Themen Rechte-Piraterie und den rechtlichen Rahmenbedingungen der Berichterstattung von Filmjournalisten auf der Tagung „Unter schwarzer Flagge. Film- und Rechtepiraterie in der Diskussion“ am 2. November 2005.

zurück zum Inhaltsverzeichnis