Fumiko Matsuyama

(1954-2014)

Sie fiel auf, war klein und quirlig und hatte wunderschönes dichtes schwarzes Haar, von seidigem Glanz. Und sie war zugewandt und offenherzig genug, um neue Menschen in ihr Umfeld zu lassen. Fumiko war sehr besonders, sehr japanisch. Ihre Wortkargheit und ihr Blick, wenn sie irgendetwas gefragt wurde: dann sah sie plötzlich zu Boden und antwortete mit einem „Hai“ (jap. Ja). Man sagt, dass diese Geste unter Japanern gebräuchlich sei, sie sich darin wiedererkennen. Wie viel diese eine Silbe von ihr erzählte, wird erst jetzt, nach ihrem Tod so richtig erkennbar. Sie unterstrich ihre Verschlossenheit und ihre Zurückhaltung von Gefühlen. Und sie hatte einen trockenen Humor: so stellte sie sich zum Beispiel vor einen hin, musterte einen von oben bis unten und stieß dann Laute aus, die nicht vollständig zu verstehen waren. Aber keinesfalls konnten sie abwertend oder negativ gemeint sein, denn ein kleines Schmunzeln über sich selbst und den anderen konnte sie sich dabei nicht verkneifen. Und, trotzdem sie einen oft nicht ansah, fühlte man sich von ihr wahrgenommen; sie hatte eine ganz besondere Sensibilität für ihr Gegenüber, für andere Menschen. „Selbst bei den schlimmsten Donnerschlägen konnte sie immer noch ein Lächeln herbeizaubern“, sagte ein Filmkritikerkollege, als er von ihrem Tod erfuhr, und noch ein anderer: „niemand war so freundlich und uneigennützig wie sie. Von dem Wenigen, das sie hatte, gab sie noch etwas ab“.

Sie kam aus Japan nach Deutschland, um ihr in Yokohama und Tokio absolviertes Studium in Berlin zu ergänzen – und blieb. Als Freischaffende arbeitete sie an Film- und Kunstprojekten, für das Theater und im Journalismus. Emsig drehte sie experimentelle Kurzfilme, mit denen sie sich bewarb und dann zu Festivals fuhr bis nach Zentralasien (Kirgistan/Usbekistan), und weiter nach Armenien und Kamerun – Postkarten, die sie von dort schrieb, erinnern daran.

Nach einem Kurzfilm zu einem Gedicht Ingeborg Bachmanns, „Alltägliche Begebenheiten“, fand sie den Mut zur „größeren Form“, zu einem Film über Che Guevara – nur mit Frauen besetzt. Sie hatte schon alles abgedreht, als sie eine Krebserkrankung aus der Bahn warf. In ihrer Experimentalstudie „Erlkönig“ unterlegt sie das Goethe-Gedicht mit Bildern des Soldatendenkmals aus dem Treptower Park und dokumentarischen Szenen aus dem Alltag des Dritten Reiches, ihre Mauerfallbilder sind spektakulär! Ein Freundeskreis hofft, dass die Deutsche Kinemathek ihr verbliebenes Foto- und Filmmaterial übernehmen kann.

Ihr langsames Sterben und ihr Sich-ans-Leben-Klammern wird allen, die sie kannten, in schmerzhafter Erinnerung bleiben.

I.A.

 

erschienen in: black box, 2014